In die Telenovela-Falle getappt

La esclava blanca (Bildquelle: Netflix)
Nur noch eine Folge, nur noch eine, nur noch eine … (Bildquelle: Netflix)

Alles begann damit, dass ich letzten August für eine Rede-Recherche einen Film über Demenz suchte und ihn bei Netflix fand. Nur den Film anschauen, dann wieder abmelden – so der Plan.

Einige Monate und viele Filme später sehe ich auf Netflix einen kolumbianischen Film angekündigt, «La Esclava Blanca». Naiv klicke ich darauf. Als ich zehn Tage später wieder zu mir komme, schreiben wir schon das Jahr 2019.

Das war kein Film. Das war eine ausgewachsene Telenovela mit 62 Folgen à 45 Minuten.

Bisher kannte ich Telenovelas nur vom Wegschauen. Sie begegnen einem auf Bildschirmen in Restaurants und Bars, öffentlichen und privaten Räumen. Sie gehören zu den grössten Exportschlagern Lateinamerikas. Telenovelas sind Suchtmittel, die vor keiner Landesgrenze Halt machen.

Das Geheimnis der Telenovela ist der sogenannte «Cliffhanger». Die einzelnen Folgen bauen aufeinander auf und sind so gestaltet, dass die Zuschauer zum Schluss der letzten Folge unbedingt wissen wollen, wie es in der nächsten weitergeht. Das funktioniert prächtig, erst recht, wenn alle Folgen nur einen Klick entfernt sind.

«La Esclava Blanca» wurde vom kolumbianischen Sender Caracol produziert und 2016 ausgestrahlt. Jeweils etwa 10 Millionen Menschen sahen zu. Die Telenovela thematisiert die letzten Jahre der Sklaverei Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie spielt in Santa Marta an der kolumbianischen Karibikküste mit Abstecher nach Spanien.

Der Plot: Ein böser Haciendabesitzer lässt die Besitzer einer anderen Hacienda umbringen, um sich deren Besitz einzuverleiben. Baby Victoria überlebt und wird von geflüchteten schwarzen Sklaven aufgezogen. Als diese wieder gefangen werden, wird das Mädchen von einem Priester in ein Kloster nach Spanien geschickt. Von dort kehrt es als junge Frau nach Kolumbien zurück, wo Victoria sich als spanische Adlige Lucia de Bracamonte ausgibt. Sie heiratet den Mörder ihrer richtigen Eltern, um ihre Adoptivfamilie, ihren Besitz und ihre grosse Jugendliebe, den Sklaven Miguel, zu retten.

Schöne Landschaften (Meer, Küste, Ebene, Berg), farbenprächtige Kostüme (nicht praktisch, aber schön), Rassismus (Schwarzweissdenken von der übelsten Sorte), grosse Liebe (stirbt nie), viele Tote (Schwarze und Weisse) und überraschende Wendungen (Untote). Dann das erlösende Happy End.

Einzelne Figuren haben mich bis in meine Träume verfolgt.

Immerhin: Ich habe etwas über die Geschichte Kolumbiens und die Geschichte der Sklaverei gelernt, über spanische Kraftausdrücke und mein persönliches Suchtverhalten.

Erster Neujahrsvorsatz umgesetzt: Netflix ist gekündigt. ¡Vete al carajo!

 

 

 

3 thoughts

Schreibe eine Antwort zu mscAntwort abbrechen