Trauben, Weizen, Unterwäsche

Weizengarben für Glück und Wohlstand (Bild: KienyKe)
Weizengarben für Glück und Wohlstand (Bild: KienyKe)

Jeden ersten Tag eines neuen Jahres muss man sich per Silvesterfeier hart verdienen.

Silvester wird in Kolumbien traditionell in der Familie gefeiert. Feuerwerk wird gezündet, Musik tönt von überall her, es wird gegessen, getrunken, gesungen und getanzt. Wer einen Vorgarten oder eine Terrasse hat, kocht draussen. Durch die Strassen der Stadt zieht der Geruch von Chorizo und Restholzverwertung.

Das tönt nach Spass. Aber das neue Jahr richtig zu beginnen, ist eine ernste Angelegenheit. Es gibt so vieles, das schief gehen kann. Zum Glück gibt es Glücksbringer.

Ich habe an Silvester

  • Trauben gegessen: Gemäss dieser spanischen Tradition, die per Kolonialisierung auch Kolumbien erleiden darf, müssen zwölf Trauben gegessen werden, während es Mitternacht schlägt. Wer es ohne zu ersticken schafft, hat zwölf Monate lang das Glück gepachtet. Ich habe erst nach Mitternacht eine einzelne Traube geknabbert. Im Magen war schlicht kein Platz für elf mehr. Das Silvestermenu war toll.
  • rote Unterwäsche getragen: Das bringt Glück, Erfolg und Liebe, so glaubt man zumindest im europäischen Süden.
  • Brot und Weizengarben auf dem Tisch der Gastgeberin gewürdigt: In Kolumbien symbolisiert das Brot zu Silvester den Wunsch nach reichlich Brot im neuen Jahr, auch wenn es sich im Alltag faktisch als Arepa auf dem Tisch manifestiert. Die gleiche Bedeutung hat die Weizengarbe, oft geschmückt mit Bohnen, Reiskörnern und Linsen.
  • Geld in die Hosentasche gesteckt: Diese einfache Massnahme sichert den Geldfluss auch im neuen Jahr – ebenfalls ein kolumbianischer Brauch.

Ausgelassen habe ich

  • das Kofferschleppen: Wer im neuen Jahr reisen möchte, sollte um Mitternacht mit einem Koffer einmal ums Haus gehen. Leider habe ich nicht aus dem Fenster geschaut, um herauszufinden, wer sich 2020 aus dem Staub machen will.
  • Linsen in der Hosentasche: Auch das soll gut sein fürs Portemonnaie. Aber mit Essen spielt man nicht, hat meine Mutter gesagt.
  • das Verbrennen von Kräutern und Essenzen, um schlechte Energien aus dem Haus zu vertreiben. Das finde ich grundsätzlich eine gute Idee. Ich habe nun eine eiserne Reserve davon im Küchenschrank für ungebetene Gäste.
  • gelbe Unterwäsche zu tragen: Kolumbien glaubt nicht an rote, sondern an gelbe Unterwäsche. Gelb steht für Licht, Glanz und Gold. Gelbe Unterwäsche! Hab ich nicht, will ich nicht, igitt.
  • einen Böögg zu basteln: Die Zürcher sind nicht die einzigen mit einem Flair für Puppenmord. Früher wurden in Kolumbien lebensgrosse Puppen mit Schwarzpulver gefüllt und als Symbol für das alte Jahr in die Luft gejagt. Seit Schwarzpulver wegen der vielen verlorenen Gliedmassen verboten ist, werden die Puppen normal verbrannt. Ganz verboten wurden die selbst gebastelten Heissluftballons, die regelmässig auf Hausdächern landeten und ungeplantes Silvesterfeuer produzierten. Gute alte Zeit.

Am 1. Januar bin ich trotzdem mit einem schlechten Gefühl aufgewacht. Habe ich am Silvester alles richtig gemacht? Sicherheitshalber habe ich nach dem Frühstück ein Glas zerdeppert. Scherben sind immer gut.

Ich bin ja nicht abergläubisch. Aber jetzt steht einem erfolgreichen 2020 nichts mehr im Weg.

Ein schönes, glückliches und gesundes Jahr wünsche ich Ihnen!

 

Quellen für diesen Beitrag u.a.:

One thought

  1. Die Leute in Kolumbien geben sich wirklich schrecklich viel Mühe, um das neue Jahr zu beschwören, Ihnen nur Gutes zu bringen. Da ist man hier zu Lande viel fauler und träger. Hauptsache, es giebt was Gutes zu essen und zu trinken und dann „que sera sera… „

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