Im Kaffee-Wunderland

An den Kaffeestauden sind immer mehrere Stadien der Frucht erkennbar: Blüten und verschiedene Reifegrade (Bild: M. Schäfer, Textrakt)
Efrain erklärt Kaffee: Die reife Frucht ist dunkelrot. (Bild: M. Schäfer)

Ich bin wieder Touristin. Wir sind zu Besuch bei Café Tio Conejo, einer Kaffee-Finca dreissig Minuten von Manizales entfernt. Das Erlebnis beginnt mit der Fahrt dorthin. Der Willys unseres Gastgebers Efrain stammt aus den 50er Jahren. Das Gefährt ist keine Rarität, sondern ausserhalb der Stadt übliches privates und öffentliches Transportmittel. Je grösser der Mensch, desto unbequemer ist die Fahrt, aber das Camel-Trophy-Gefühl macht jeden blauen Fleck wett.

Café Tio Conejo (Onkel Hase) befindet sich auf über 1700 Meter über Meer. Topographie und Klima sind für den Kaffeeanbau ideal. Die Hänge sind steil, die Pflanzen erhalten viel Sonne. Gleichzeitig bekommen sie nachts und durch regelmässige Regengüsse auch die Abkühlung, die sie brauchen. Die Kaffeezone im Dreieck zwischen Bogota, Medellin und Manizales ist Unesco-Weltkulturerbe. Aber immer mehr Bauern wenden sich der weniger anstrengenden Viehwirtschaft zu. Zwischen den Kaffeegebieten sieht man grüne Weiden, darauf schwarz-weisse Kühe, Schweiz-Mythos in den Anden.

Heute ist es heiss. Wir werden von den beiden Hunden Chocolate und Panela begrüsst und sogleich mit Kaffee, Arepas und frischen Früchten ausgestattet. Don Efrain spricht (gerne auch auf Englisch) über sein Projekt: Seit sieben Jahren wird hier Kaffee angebaut. Er und seine Familie sind aus der USA zurückgekehrt, um sich in der alten Heimat dem Kaffeeanbau zu widmen. Er ist keine Familientradition, sondern musste mit der Unterstützung einheimischer Kaffeearbeiter erst erlernt werden. Café Tio Conejo hat sich auf Qualitätskaffee spezialisiert. Die Produktionskette vom eigenen Kompost über die Aussaat bis zum fertigen Produkt findet auf der Finca statt, nur die Röstung übernimmt ein spezialisiertes Unternehmen im nahen Chinchiná.

Efrain führt uns ins Gelände, weg von der Hängematte die Hänge hoch. Wir probieren frische Kaffeefrüchte direkt ab Strauch. Es wird vor allem gelber und roter Caturro angebaut. Das Fruchtfleisch unter der roten Hülle ist süsslich, von Kaffeegeschmack keine Spur. Erst ganz zuinnerst ist das, was am Schluss in der Tasse dampft, die Kaffeebohne. Von der Aussaat bis zur Ernte vergehen vier Jahre. Dann kommen Nassaufbereitung mit Entfernen des Fruchtfleischs (Pulpe), Fermentation, Trocknung, Entfernen des Silberhäutchens, Rösten, Mahlen. Für eine Tasse Kaffee braucht es 70 bis 130 Bohnen.

Kaffeeanbau produziert keine Millionäre. Die Arbeit ist hart, der Verdienst gering. Deshalb ergänzt Café Tio Conejo sein Spektrum mit touristischen Angeboten. Neben Führungen und Übernachten wird bald auch Vogelbeobachtung mit einem Vogelspezialisten möglich sein. Naturnah ist die Devise: keine Monokulturen, keine künstlichen Dünger, nicht möglichst viel Fläche, sondern möglichst gute Qualität des Bodens. Schädlinge und Krankheiten können zu Ernteausfällen führen. Efrain erklärt, welche Pflanzen die Kaffeesträucher auf natürliche Art und Weise schützen.

Der Rundgang ist eine kleine Bergwanderung, aber mit vielen Stopps zum Staunen. Efrain beantwortet geduldig alle Fragen. Wieder unten in der Finca wartet ein herrliches Mittagessen mit verschiedenen Säften. Wir essen gemeinsam mit den Arbeitern, die vergebens das Fleisch suchen. Wir haben vegetarisches Essen bestellt. Das Fleisch fehlt zwar, aber fehlt zum Schluss doch niemandem, so lecker und reich ist die Auswahl. Letzte Informationen zur Geschichte des Kaffees und noch eine letzte Tasse, dann werden wir zurück in die Stadt gefahren.

Fazit: Sehr gut investierte 95’000 Pesos
Tipp: Sonnen- und Mückenschutz nicht vergessen

Hingehen, selber erleben: http://cafetioconejo.com

 

One thought

  1. Eine sehr schöne Reportage, interessant und mit sehr guten Photos. Bravo. Man hat grad Lust, dorthin zu fahren. Und auf jeden Fall schätzt man den Kaffee um so mehr.

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