Grossereignisse werfen lange Schatten voraus. So war es auch mit dem 15. Geburtstag von Manuela, meiner ersten Fiesta de quinze años.
Wie in vielen lateinamerikanischen Ländern ist auch in Kolumbien der 15. Geburtstag der Mädchen – und nur der Mädchen – etwas ganz Besonderes. Es ist der Übergang vom Mädchen zur Frau, der Moment, in dem sie mit einem grossen Fest symbolisch der Gesellschaft vorgestellt wird.
Eine spezielle Prinzessin
Manuela ist eine spezielle 15-jährige, ein vorwitziges, selbstbewusstes Mädchen mit Down-Syndrom. Sie wusste, was sie wollte: An ihrem wichtigsten Geburtstag eine Prinzessin sein. Ihre Mutter ist alleinerziehend und nicht mit königlichen Reichtümern gesegnet. Aber in Kolumbien werden Familienbande bis in die feinsten Verästelungen des Stammbaums gepflegt. So werden finanzielle Lasten verteilt und Mädchenträume wahr.
Auf typisch kolumbianische Art – mit viel Herz und nicht so viel Struktur – wurden die Vorbereitungen des grossen Tages an die Hand genommen. Das Kleid wurde in Auftrag gegeben, Inspirationen für die Dekoration im Internet gesucht, Hin und Her diskutiert, Geld gesammelt. Tagelang genäht, gebastelt und gebacken.
Traditionsreiche Feier
Es entstand das Fest, das einer Prinzessin gebührt. Wie es Tradition ist, wurde das Geburtstagskind in seinem rosaroten Traumkleid zuerst in der Kirche mit einer eigenen Messe gefeiert. Dann wurde die Quinceañera zum festlichen Ballsaal geleitet, dem reich geschmückten Gemeinschaftsraum einer Wohnsiedlung.
Prinzessin Manuela überstrahlte alles mit ihrer Anmut und Würde. Sie weinte vor Freude und lachte gleichzeitig begeistert über die Spässe des Zauberers und die Balladen der Mariachis. Anstatt des verstorbenen Vaters zog ihr der kleine Bruder die Ballschuhe an. Damit tanzte sie den traditionellen Walzer mit den Herren, die ihr jeder galant eine Rose überreichte.
Vom Mädchen zur Frau? Nicht ganz.
Den ganzen Abend posierte die rosa Prinzessin professionell und mit viel Geduld für die Fotografen. Sie blies fünfzehn Kerzen aus, ass von ihrer dreistöckigen Torte und prostete als formvollendete Gastgeberin ihren Gästen vergnügt mit Limonade zu. Die Dankesrede hielt ihre Mutter für sie.
Manuelita war die perfekte Quinceañera. Aber den Übergang zur Frau liess sie trotzdem aus. Sie blieb nach dem Fest einfach das Mädchen, das sie war. Als sie gefragt wurde, was sie mit dem geschenkten Geld mache, antwortete sie: «Ich kaufe mir einen Freund. Und mehr Puppen und Puppensachen.»
Ein schöner Brauch und eine schöne Geschichte. Wenn nur das weitere Leben als Frau auch so angenehm wäre, in Kolumbien und anderswo.
Das wünsche ich mir auch!