
Bin ich in Bern, gehört ein Spaziergang über den Samstagsmarkt zum Pflichtprogramm. Zuerst auf den Bundesplatz, dann die Münstergasse hinunter, an all den Versuchungen vorbei, und meistens kann ich nicht widerstehen. Nicht dem Käse, nicht den Brötchen, nicht den Blumen und vor allem nicht den Postkarten.
Postkarten?
Kaum hat man die Marktstände der Münstergasse hinter sich gelassen und ist nur noch einen grossen Schritt vom Münster entfernt, lockt unter den Lauben eine letzte grosse Herrlichkeit: die Münstergass Buchhandlung. Da zieht es mich hin wie den Bären zum Honig. Ich kaufe fast immer etwas, wenn kein Buch (was selten ist), dann zumindest Postkarten (dass ich Postkarten liebe, ist bekannt).
Meine Allerliebsten sind die pseudo-historischen Absurditäten des Westschweizer Künstlerkollektivs Plonk & Replonk. Neben absurden Büchern und Objekten produzieren sie auch jede Menge absurder Postkarten mit verfremdeten und neu interpretierten Sujets aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Und die sind prominent ausgestellt auf einem Drehständer vor der Buchhandlung. Lieber „Die Fertigstellung der Alpen im Jahre 1899“ (darauf stolze Steinklopfer und die Bergspitze mit Schleife dran), die Bungeefischer auf der Kirchenfeldbrücke oder die Schnauzepidemie von 1880? Alles grossartig.
Unser Blick auf die Vergangenheit ist immer Interpretation. Richtig absurd ist sie mir fast am liebsten.
Die Epidemie der Schnäuze ist erfreulich, vielleicht gibt es bald einmal eine Tatuierungsepidemie, das würde mich nicht wundern.