Bild des Tages: Völkerwanderung

Stadtbienen (Bild: M. Schäfer, Textrakt)
Ein Volk unterwegs: Bienen an einem Verkehrsschild im Zentrum von Manizales (Bild: M. Schäfer)

Auf einem Spaziergang durchs Stadtzentrum fielen mir gestern einige Bienen auf. Sie krabbelten ohne sichtbaren Anlass auf dem nackten Boden herum. Ich schaute nach oben. Am Verkehrsschild über mir hing ein ganzes Bienenvolk.

Hoppla! Als Bienenallergikerin sprang ich mit leicht erhöhtem Pulsschlag zur Seite. Etwas ratlos begann ich die Leute auf die Gefahr hinzuweisen. Was nun?

Ein hageres, etwas verlebtes Männchen kam auf mich zu. Diego, wie er sich vorstellte, bewacht einen Kleiderladen etwas weiter unten in der Strasse. Die Bienen seien schon am Morgen gekommen, erzählte er. Sie seien so wild herumgeschwirrt, dass der Laden an der Ecke Carrera 21 mit Calle 19 für den Rest des Tages schliessen musste. Dann sei die Feuerwehr gekommen und wieder gegangen. Erst in der Nacht könne man etwas ausrichten, hätten sie gesagt.

Da standen wir also und schauten. Zum harten Kern gesellte sich bald Nestor Jaime, ein Bub von etwa sieben Jahren, der alles über Bienen wissen wollte. Er propagierte die Idee, einen Stein auf das Bienenvolk zu werfen, damit es weiterflog. Vorschlag abgelehnt. Danach riet er mir, ein Foto zu machen, und es auf Facebook zu veröffentlichen. Abgelehnt.

Diego schlug vor, angesichts des netten Zusammentreffens einen Tinto, einen Kaffee, zu trinken. Es wäre nett, ihn einzuladen, weil ich ja eine Gringa sei und deshalb reich. Das gefiel auch Nestor Jaime. Wir gingen ein paar Schritte zu einem Kaffeestand, die Bienen immer in Sichtweite, und tranken Tinto. Nestor Jaime bekam eine Avena (Getränk aus Hafer) und alle eine Chicharrón (nicht die frittierte Schweineschwarte, sondern das gleichnamige Blätterteiggebäck).

Als ich weiter musste und mich über das ungewisse Schicksal der Bienen besorgt zeigte, versprach mir Diego, auf die Bienen aufzupassen. Eine Ladenbesitzerin klärte er noch schnell darüber auf, wie wichtig Bienen seien und dass wir ohne Bienen nichts zu essen hätten. Dann informierte er eine vorbeifahrende Polizeistreife auf dem Motorrad über die Lage. Die beiden Polizisten nahmen sich des Falls an.

Ich gehe davon aus, dass der Ausflug des Bienenvolks dank Diego und Polizeischutz ein gutes Ende nahm. Der neue grüne Bürgermeister der Stadt, Carlos Mario Marin, wird sich freuen zu hören, dass Manizales zwölf Tage nach seinem Amtsantritt schon deutlich naturnaher geworden ist.

One thought

  1. Eine schöne und nette Geschichte von den unternehmungslustigen Bienen in Manizales, und tüchtigen Siebenjährigen.

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