
Es ist genau eine Woche her, seit die Konzernverantwortungsinitiative am Ständemehr gescheitert ist. Eines der reichsten Länder der Welt sprach sich dagegen aus, dass sich Menschen in ärmeren Ländern etwas besser gegen Ungerechtigkeiten in Form von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung wehren können. Ich bin nachhaltig frustriert und ja, ich schäme mich.
Zum Beispiel deshalb: Im kolumbianischen Departement La Guajira liegt eine der grössten Kohleminen der Welt, «El Cerrejón». Ich habe hier im Blog bereits über diese Gegend geschrieben («An der Nordspitze Südamerikas», 16.8.2019). Die lokale Bevölkerung rund um die Mine ist von Zwangsumsiedlungen betroffen, von Krankheiten der Haut sowie der Atemwege und lebt mit extremer Wasserknappheit, die von der Mine verschärft wurde («Massive Umweltbelastung, Gesundheitsprobleme und eine ungewisse Zukunft prägen viele Gemeinschaften im Einflussbereich der Kohlenmine El Cerrejón», Artikel der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien ask vom 30.10.2019). «El Cerrejón» gehört zu 33 Prozent Glencore mit Sitz im Kanton Zug.
In meinem Leben hat mich wenig so erschüttert wie die Kinder der Guajira, die entlang der staubigen Strasse auch um Wasser betteln.
Es gibt Leute, die in Zeitungen argumentierten, wie gut die kolumbianische Gesetzgebung sei und wie fortschrittlich und da dürfe man dreinreden. («Die Haftung wäre eine Bedrohung für jede Mine»), Der Bund, 17.11.2020). Und tatsächlich: Die kolumbianische Gesetzgebung ist grossartig. Aber viele Gesetze werden unzureichend durchgesetzt, erst recht dort, wo handfeste wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen.
Wer sich selber gegen Missstände wehrt, muss um sein Leben fürchten. Gemäss der NGO Indepaz wurden in Kolumbien allein im Jahr 2020 über 250 soziale Anführerinnen und Anführer umgebracht («Más de 250 líderes han sido asesinados este año, según Indepaz», El Tiempo, 8.11.2020). «Líderes sociales» sind Leute, die sich für ihre Rechte einsetzen, zum Beispiel Boden-, Menschen- oder Umweltrechte. Sie werden gezielt bedroht und ermordet. Die meisten dieser Verbrechen werden nie aufgeklärt. Die Regierung macht Drogenclans und Guerilla dafür verantwortlich. Indepaz hingegen sieht Konflikte um Boden, Minen, Viehwirtschaft etc. als Hauptgrund. Die Protestmärsche und Mahnwachen der Bevölkerung bleiben ohne Wirkung, die Morde gehen weiter.
Zurück in die Schweiz: Einer Mehrheit der Schweizer Bevölkerung war es nicht egal, wie die Schweiz im Ausland ihr Geld verdient. Soziale und ökologische Unternehmensverantwortung werden wichtiger, Nachhaltigkeit wird messbarer. Wir haben weiterhin jeden Tag die Wahl: Was wir wo kaufen, wo wir investieren und wen wir wählen. Bleiben wir dran.
Das ist wirklich ein Skandal. Ich war sehr empört über das Gerede und die falschen Informationen, die dazu geführt haben, die Initiative abzulehnen. Wenigstens waren die Genfer auf der richtigen Seite.