
Ich bin in Zürich und leide sehr. Zwar lebe ich hier in einer wunderschönen Wohnung, stilvoll und zentral. Auf der kleinen Dachterrasse gibt es ein Apfelbäumchen, Erdbeeren und wehende Gräser. Von dort oben sieht man abends den Mond über dem Zürichberg aufgehen und mit etwas Glück fliegt die internationale Raumstation vorbei.
Auf der Strasse unten wimmelt es von jungen Menschen, die mit chicen Rennrädern und freigelegten Knöcheln geschäftig durch die Gegend fahren. Man ist cool auf eine nachlässig wirkende Art, die ich schon früher bewundert und nie gelernt habe.
Der Wind frischt auf und wirbelt gelbe Blätter am Museum für Gestaltung vorbei. In der Limmat schwimmt ein letzter Schwimmer mit Enten um die Wette. Vom Bahnhof her weht schon der Duft der Marronihäuschen. Hier vermischt er sich mit den Gerüchen der Welt, ein Stück Brasilien, Indien, Argentinien, Thailand und Italien. Herbst im Kreis 5.
Warum ich also leide, fragen Sie? Die Gelateria gegenüber hat noch geöffnet, aber die endlosen Warteschlangen des Sommers sind weg. Gehe ich aus dem Haus, sehe ich hinter der Theke die Eissorten in den schönsten Farben leuchten. Sie haben jetzt auch Herbst- und Wintersorten wie Spekulatius, Marron Glacé, Holunder- und Heidelbeeren. Aber warum öffnen sie erst mittags? Wie viel Glacé kann man pro Tag essen, ohne dass es gesundheitlich kritisch wird? Gelten fünf Fruchtglacésorten als ausgewogene Ernährung? Ist es sehr unanständig, während virtueller Sitzungen Glacé zu essen?
Das Leiden hat schon bald ein Ende. Bis dahin: Eisberg! Volle Kraft voraus!
„Meh Glacéheit“ für alle!! (Glacé gehört bei mir in die Kategorie Grundnahrungsmittel, es ist Soulfood und macht glücklich.)
Als Nichtglacé fan ist mir das Glacé Leiden nicht ganz verständlich, aber die bezaubernde Evokation der Zûrcher Atmosphäre im Kreis 5 hat mich sehr erfreut.