Die Erde weint

"Palimpsest" im Beyeler Museum (Bild: M. Schäfer)
„Palimpsest“ von Doris Salcedo (Bild: M. Schäfer)

Im Beyeler Museum in Basel ist eine begehbare, stille Installation von Doris Salcedo zu sehen. Die Installation füllt einen grossen Raum – und füllt ihn doch nicht, weil nur der Boden lebt. Die Installation heisst «Palimpsest». Ein Palimpsest ist ein Schriftstück aus Pergament oder Papyrus, dessen ursprüngliche Beschriftung gelöscht und mit einem neuen Text überschrieben wurde. In Antike und Mittelalter war Schreibmaterial rar und teuer, es wiederzuverwenden lag nahe.

Auch beim «Palimpsest» im Beyeler Museum wird Text überschrieben. Es erscheinen Namen und darüber wieder neue Namen. Sie gehören Menschen, die in den letzten zwanzig Jahren auf der Flucht vor Gewalt und Armut das Mittelmeer oder den Atlantik überquerten, aber nie ankamen. Nicht Farbe oder etwa Licht, sondern Wassertropfen bilden die Buchstaben. Die Wassertropfen stehen für die Tränen der Überlebenden, die ihre verlorenen Liebsten beweinen.

Doris Salcedo, eine kolumbianische Künstlerin mit Jahrgang 1958, folgt mit «Palimpsest» ihrem grossen Thema: dem sich stets wiederholenden Kreislauf von Gewaltakten, Empörung, Erinnerung und Vergessen. Schmerz, Trauma und Verlust ziehen sich durch ihre Arbeiten, gespiesen aus eigenen Erfahrungen mit verschwundenen Familienmitgliedern.

Hier erzählt die Künstlerin von ihrem Werk: Doris Salcedo, «Palimpsest»

Die Installation besteht aus gemahlenem Marmor, Harz, dem Mineral Korund, Sand und Wasser. Hydraulische Elemente bewirken den Effekt der weinenden Erde. Das Werk entstand zwischen 2013 und 2017 und wurde bereits andernorts gezeigt.

Bedrückend, berührend, schön. «Palimpsest» ist noch bis am 17. September 2023 zu sehen.

One thought

  1. Diese Palimpseste die die Härte des Lebens auf poetische Weise darsstellen sind beeindruckend und ergreifend.

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