Das Wasser steigt

Insel des Guna-Yala-Archipels (Foto: M. Schäfer)
Typische Insel des Guna-Yala-Archipels, Heimat des indigenen Volkes der Kuna (Foto: M. Schäfer)

Ich kann nachvollziehen, wenn man sich in der Schweiz über die sonnigen, zu warmen Herbsttage freut. Die Aussicht darauf, bibbernd und vom Regen gepeitscht an einem Bahnhof oder sonst wo zu stehen, sind ungleich trüber.

Doch mir geht eine Unterhaltung, die ich in Panama geführt habe, nicht aus dem Kopf. Eine junge indigene Kuna-Frau (Wikipedia: Kuna (Ethnie)), deren Namen ich nicht kenne, sagte mir: «Ich will keine Kinder, ich will alleine sterben. Dann muss ich mir keine Sorgen, um mein Kind machen. Wir werden unser Zuhause verlieren. Weil unsere Inseln im Wasser verschwinden, müssen wir unsere Existenz auf dem Festland neu aufbauen. Die Zukunft ist ungewiss.» Jedes Jahr am Geburtstag ihres Onkels mache sie am gleichen Ort ein Foto. Man sehe den Unterschied der Wasserlinien. Die Frau sprach sehr sachlich.

Die Kuna sind das erste Volk Lateinamerikas, das wegen des Klimawandels umsiedeln muss, etwa 35’000 Menschen, die heute auf paradisischen, palmenbestandenen Koralleninseln leben. Ein gestern im RiffReporter erschienener Artikel zeichnet die Herausforderungen dieser Umsiedlung nach («Klima-Umsiedelung in Panama: Kuna-Indigene verlassen ihre Inseln», 5.10.2023, Bezahlartikel). Ein Kredit der Weltbank für die Umsiedlung hat die Regierung Panamas bereits vor zehn Jahren für anderes ausgegeben oder es ist durch Korruption versickert. Die Pläne sind da, das Geld ist weg, aber seit 2017 wird nun doch mit Unterbrüchen weitergebaut. 2022 sind die ersten Familien freiwillig umgezogen.

Die UNO schätzt die Anzahl Klimaflüchtlinge in den nächsten 30 Jahren auf 50 bis 200 Millionen Menschen. Die Kuna haben Glück im Unglück, weil ihr autonomes Gebiet nicht nur die rund 350 Inseln des Guna-Yala-Archipels (Wikipedia) (San-Blas-Inseln) umfasst, von denen rund 50 bewohnt sind, sondern auch angrenzendes Gebiet auf dem Festland. Dort wurde bisher bereits neben der Fischerei auch Landwirtschaft für den Eigenbedarf betrieben. Nun entsteht unweit der Küste auf einer Anhöhe im Dschungel eine erste neue Siedlung mit Schule und Spital. Während unter anderem Trinkwasser, Elektrizität und Internet auf den Inseln ein Problem waren, sollte all dies am neuen Ort vorhanden sein. Aber das Leben der Kuna wird anders und vermutlich auch teurer werden.

Die Kuna leben sehr bescheiden. Einkommen erzielen sie vorläufig vor allem vom Inseltourismus. Auch wir haben drei Nächte auf einer ihrer Inseln verbracht, in einer einfachen Hütte auf Stelzen im Meer den Karibiktraum gelebt. Zum Tourismus kommt der Verkauf von Kunsthandwerk, so wie es auch die junge Frau tut. Sie bietet in Panama City Schuck aus farbigen Perlen und Molas an, genähte rechteckige Kunstwerke aus verschiedenen Stofflagen, meist mit geometrischen Mustern oder Tieren- und Blumenmotiven. Die Kuna-Frauen nähen die wunderschönen Molas auf ihre Blusen. Dazu tragen sie traditionell viele Meter aufgereihte farbige Schmuckperlen um die Arme und Beine. Die Kunas sind stolz auf ihre Kultur und pflegen ihre Bräuche und Sprache.

Wie wird es für sie, wie wird es für die junge Kuna-Frau weitergehen?

Kuna-Frauen verkaufen Perlenketten und Molas (Bild: M. Marín)
Kuna-Frauen verkaufen Perlenketten und Molas (Bild: M. Marín)

 

Boot im Guna-Yala-Archipel (Foto: M. Schäfer)
Boot im Guna-Yala-Archipel; solche Boote dienen dem Fischfang, andere als Fähren zwischen den Inseln (Foto: M. Schäfer)

2 thoughts

  1. krass: wenn für uns etwas örtlich weit weg ist, scheint es das emotional auch zu sein. anders ist die lethargie der schweizer in sachen klima nicht zu erklären. ein eindrücklicher bericht.

Kommentar verfassen