Wie Sie gendergerecht schreiben

Die richtigen Worte zu finden, ist nicht einfach (Foto: John Jennings, Unsplash)
Die richtigen Worte zu finden, ist nicht einfach. (Foto: John Jennings, Unsplash)

Gendergerechte Sprache ist ein Thema, das viele Gemüter erhitzt. Welche Bedeutung hat es tatsächlich? Am 28. Mai, zwei Wochen vor dem Schweizer Frauenstreik, führte die Zeitung «20 Minuten» eine Umfrage durch (Bericht vom 24. Juni 2019). 11’596 Personen wurden gefragt, ob Geschlechterstereotype durch die Sprache zementiert würden. Eine grosse Mehrheit, 87 Prozent der Männer und 70 Prozent der Frauen, empfindet das nicht so.

«20 Minuten» macht vor, wie es nicht geht
Ist damit das Thema vom Tisch? Nein. Und das führt der gleiche Artikel von 20 Minuten vor Augen:

Titel: Frauen halten wenig von gendergerechter Sprache
Lead: 78 Prozent der Schweizer halten wenig von der geschlechtergerechten Formulierung von Texten. Auch bei Frauen ist der Widerstand gross.

Mit «Schweizern» sind in diesem Fall Männer und Frauen gemeint – eine unklare Formulierung in diesem Kontext.

Wenn Frauen (nicht) mit gemeint sind
Im Brennpunkt der Diskussion steht die nach wie vor gängige Sprachpraxis, wonach in der männlichen Mehrzahl – gelegentlich sogar in der Einzahl – auch Frauen gemeint sind. Zum Beispiel hier:

Die Lehrer haben sich versammelt.

Sehen Sie Männer vor sich? Frauen? Eine gemischte Lehrerschaft? Es kann alles gemeint sein.

Den Letzten beissen die Hunde.

Und wie geht das bei solchen Sprüchen? Ist der Letzte immer ein Mann? Das wünscht man keinem.

Die Krankenschwestern und Hebammen fordern mehr Lohn.

Das sind Berufe, die auch Männer ausüben. Hatten Sie auch Männer vor dem geistigen Auge, als Sie den Satz gelesen haben? Für Männer gibt es die Bezeichnungen Krankenpfleger und Entbindungshelfer.

Unterschiedliche Lösungen
Die Gesellschaft verändert sich und mit ihr die Sprache. Eine offizielle Regelung zur Umsetzung sprachlicher Ungleichheiten gibt es bisher jedoch nicht. Institutionen und Unternehmen gehen immer häufiger dazu über, ihre eigenen Richtlinien und Empfehlungen zu formulieren.

Gendergerechte Schreibweisen nehmen dabei unterschiedliche Formen an:

  • Gender-Gap: Lehrer_innen
  • Schrägstrich: Lehrer/in
  • Schrägstrich und Bindestrich: Lehrer/-in
  • Binnen-I: LehrerInnen
  • Gender-Sternchen: Lehrer*innen
  • Umschreibungen: Lehrperson

Königsweg – oder Königinnenweg?
Behalten Sie Ihr Ziel vor Augen. Sie möchten etwas kommunizieren. Ihre Sprache muss deshalb zwei Dinge erfüllen:

  • Sie muss jetzt und heute so einfach lesbar und verständlich sein wie möglich.
  • Sie muss die ganze Zielgruppe ansprechen, für die ein Text geschrieben wird.

Letztlich geht es einzig um die Frage, wie Ihre Botschaft das Zielpublikum am besten erreicht.

Den Lesefluss fliessen lassen
Zusätzliche Satzzeichen und Grossbuchstaben mitten im Wort sind Stolpersteine im Lesefluss. Falls die sprachliche Gleichstellung der Geschlechter eine wichtige Botschaft in Ihrem Text ist, dann sind Gender-Sternchen und Co. legitim. Falls Sie andere prioritäre Kommunikationsziele verfolgen, ist Vorsicht geboten. Denn Stolpersteine können dazu führen, dass ein Text gar nicht erst zu Ende gelesen wird. Gendergerecht formuliert, Kommunikation gescheitert.

Schreiben Sie einfach und präzise
Gendergerecht und lesbar, geht das überhaupt? Ja. Denn in der Regel gewinnt ein Text durch präzise Formulierungen an Qualität. Gendergerechte Sprache ist konkrete Sprache und daher begrüssenswert. Schreiben Sie deshalb zumindest am Anfang des Texts, was Sache ist: Lehrerinnen und Lehrern, Busfahrerinnen und Busfahrer etc. Oder finden Sie eine gute Umgehungslösung. Um auf den Leadtext von 20 Minuten zurückzukommen: Was spricht bei einer repräsentativen Umfrage gegen «78 Prozent der Schweizer Bevölkerung hält wenig von der geschlechtergerechten Formulierung von Texten»? Geht doch.

Geschlechtergerechte Sprache muss nicht unschön oder sogar Kampfzone sein, sondern lesbar und präzis. Mit etwas Kreativität und gutem Willen entstehen so attraktive Texte für alle.

2 thoughts

  1. Gendergerechte Schreibweise ist angemessen so lange es um sprachliche Zeichen geht, die sich auf Referenten beziehen. Es ist eine Herausforderung für gute Texter.

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