F wie Figaro

Der Barbier von Sevilla am Stadttheater Basel (Bild: Priska Ketterer)
Multimediale Inszenierung von Graf Almaviva, assistiert von Figaro und seinen drei Klonen (Bild: Priska Ketterer)

Gestern war ich in der Aufführung des Barbiere di Siviglia von Gioachino Rossini am Stadttheater Basel. Ich war überrascht und fasziniert, dass sich eine Oper von 1816, die in Sevilla Ende des 18. Jahrhunderts spielt, so gut ins Social-Media-Zeitalter katapultieren lässt.

Was Figaro mit Social Media am Hut hat? Sehr viel. Der Barbier wird in der Inszenierung von Kirill Serebrennikov zum eitlen Pfau und Strippenzieher, der die Mittel und Möglichkeiten der sozialen Kanäle gekonnt für seine Zwecke nutzt und die Liebenden, Graf Almaviva und Rosina, zueinander führt. Das F von Facebook steht plötzlich für Figaro. Figaro, Figaro, Figaro – neben ihm sind drei Kopien seiner selber auf der Bühne unterwegs. Figaro ist eine allgegenwärtige, multimedial verstärkte Diva.

Graf Almaviva, nicht minder selbstverliebt, ist ein VIP mit Rockstarallüren, der Rosinas Herz erobern will. Rosina ist eine rebellische, reiche Göre, die auf teure Geschenke steht. Bartolo ist ihr alter Vormund, der Rosina liebt und notfalls mit Gewalt heiraten will. Er, der mit seiner Haushälterin in seiner antiquierten Welt lebt, ist die grosse Witzfigur, zu langsam und analog für die moderne Welt.

Die Aufführung ist rasant, ständig ist etwas los. Smartphones und Kameras sind überall, Selfies werden geschossen. Immer wieder erscheinen in den wechselnden Kulissen Bildschirme und Projektionen, die Kamera überträgt live. Daneben erscheinen die Nachrichten der beiden Liebenden in Facebook-Manier. Smileys, Herzchen, Videos, alles, was dazu gehört. Die beiden kleben an ihren Handys, wie das junge Liebende eben tun, bis ihnen Figaro die Geräte aus den Fingern reisst, damit sie auch physisch zueinander finden.

So viel Tempo, so viele geniale Effekte, so viele gute Ideen – und auch ein paar unnötige Provokationen. Aber Moment, hat da jemand gesungen? Hat ein Orchester gespielt? Die Musik rückt in dieser Inszenierung in den Hintergrund, überlagert von der Bilderschlacht, begleitend wie Filmmusik. Es ist traurig, in einer Opernaufführung die Musik zu verpassen. Vor allem, wenn sie so schön ist wie diese.

Aber genau das ist es doch: Social Media und Co. absorbiert uns allzu oft. Bis wir nicht mehr wahrnehmen, was um uns herum real geschieht. Wir kleben am Smartphone, sogar ohne frisch verliebt zu sein, chatten, anstatt miteinander zu reden, und inszenieren mit dem Handy eine bessere Welt. Da bleiben manchmal die wichtigsten Botschaften auf der Strecke. Serebrennikov hält uns den Spiegel vor.

Mehr Informationen:

Der Trailer zur Aufführung im Theater Basel – sie läuft noch bis Ende Februar: Video auf YouTube

In anderer, ebenfalls moderner Inszenierung ist der Barbier von Sevilla im Dezember im Stadttheater Bern zu sehen.

Die ganze Oper in einer klassischen Aufführung mit Cecilia Bartoli von 1988 auf YouTube – von der Musik lenken höchstens lustige Frisuren im Orchester ab.

One thought

  1. Ich glaube, diese Aufführung hätte mir Angst gemacht. Sie spiegelt wohl einen grossen Aspekt der heutigen Welt und zeigt auch ein bisschen deren Grenzen an.

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