Nomaden unter sich

Digitale Nomadin in der Hängematte (Bild: M. Schäfer, Textrakt))
Digitale Nomadin in der Hängematte, nicht arbeitend (Bild: M. Schäfer)

Digitale Nomaden, die kennen wir. Das sind die, die in der Hängematte am Strand liegen, Laptop auf dem Bauch, ein bisschen arbeiten und dabei Cocktails schlürfen. Oder?

Erst vor kurzem wurde ich wieder mit dem Strandklischee konfrontiert. Dass dieses Bild nicht stimmen kann, beweist allein schon die Tatsache, dass Bildschirmarbeit im Liegen denkbar unbequem ist. Und mein zweites Problem: Der nächste Strand befindet sich über 2 Kilometer tiefer und 300 Andenkilometer entfernt (Faustregel: 100 Andenkilometer = zwei Stunden Autofahrt und zwei Tabletten gegen Reiseübelkeit).

Räumen wir mit dem Klischee bitte auf. Digitale Nomaden sind Menschen – Freelancer oder fest angestellt, im Ausland oder im Inland – die ortsunabhängig arbeiten. Betonung auf «arbeiten», denn andernfalls ist man den Job oder die Aufträge schneller los, als dass man die Cocktailkirsche aus dem Glas und den Sand aus der Laptoptastatur geklaubt hat.

Solche Menschen sind also gar nicht so anders als die neue Erscheinung der digitalen Mikronomaden, die Pandemie-Daheimwerkerinnen und -werker. Auch diese arbeiten ortsunabhängig, sei es aus der Küche, dem Keller, dem Garten oder dem Heimbüro, je nachdem, wo es einen Tisch hat, es grad ruhig ist oder das Wifi gut funkt. Auch sie arbeiten nicht in Hängematten und mit Cocktails in der Hand. Sie haben ein Laptop und Arbeit, die bis zu einem gewissen Zeitpunkt erledigt werden muss.

Mir persönlich hat das Firmenbüro nie gefehlt, nachdem ich das letzte im Januar 2017 verlassen und mich selbständig gemacht habe. Nur die sozialen Kontakte vermisse ich. Eine gemeinsame Kaffeepause ist nicht das gleiche wie ein Videocall oder ein Chat.

Aber ansonsten geniesse ich die freiere Zeit- und Ortseinteilung, kaum Besprechungen, konzentrierteres Arbeiten, kein Pendeln und den erweiterten Raum für Kreativität und Lernen. Und jeder Tag ist Casual Friday. Die Qualität meiner Arbeit und meine Zufriedenheit sind gestiegen, der Stresslevel gesunken. Wie ist das bei Ihnen?

Das sind meine zehn Tipps für digitale Lang- und Kurzstreckennomaden:

  • Sich wählerisch wie eine Katze jeweils den besten Ort zum Arbeiten sichern – Abwechslung macht Spass
  • Immer ein Glas Wasser auf dem Tisch haben – so klein, dass man regelmässig aufstehen und es nachfüllen muss oder so gross, dass man regelmässig aufstehen und aufs Klo gehen muss
  • Das Glas nicht neben, sondern hinter den Computer stellen
  • Die Geräte vor Witterung, Stössen, Langfingern, Krümeln und Wassergläsern schützen
  • Ab und zu draussen eine Runde drehen und den Kopf lüften, das windet neue Ideen hinein
  • Ungeniert asozial sein, wenn im Hintergrund Rambazamba ist – Türe zu!
  • Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung leisten an vielen Orten gute Dienste
  • Unterwegs immer die Ladekabel dabeihaben
  • Manchmal an Orte gehen, wo es kein Wifi gibt – notfalls mit dem Handy einen persönlichen Hotspot aufbauen
  • Immer wieder bewusst den sozialen Kontakt suchen: im Telefongespräch, beim Mittagessen, beim Kaffee – und natürlich beim Cocktail in der Hängematte

Disclaimer: Diese Tipps eignen sich nicht für Menschen, die in Pandemiezeiten Arbeit und Kinderbetreuung vereinbaren müssen. Auch hier gibt es aber schöne Klischeebilder, die gerne von Leuten mit entsprechenden Erfahrungen zerpflückt werden dürfen.

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