
Es ist eine Weile her, vorpandemisch, dass wir das letzte Mal mit den «Caminantes Los Barrranquillos» unterwegs waren. Jetzt stehen wir endlich wieder am frühen Sonntagmorgen bereit. Es ist neblig, aber die Sonne drückt langsam durch. Wir haben einen kleinen, stark gesüssten schwarzen Kaffee, einen Tinto, in der Hand. Aufwachen in der Kaffeezone Kolumbiens.
Luis Alfonso ist der Chef hier. Der ältere Mann mit dem Schlapphut, dem grossen Rucksack und der Machete am Gürtel kennt jeden Weg in der Region. An diesem Sonntag besteht seine Wandergruppe aus 45 Nasen. Wie immer wird zuerst durchgezählt, aufgewärmt, das Gebet des Wanderers vorgelesen und für die Muskulatur Kalium in Form von Bananen verteilt. Dann gehen wir los.
Der Weg führt durch zwei Vororte von Manizales, die durch einen steilen Naturweg verbunden sind. Dann kommt das erste Hindernis: ein Empanadastand. Schon zieht sich die Gruppe in die Länge. Luis Alfonso ist der vorderste Mann, sein Helfer macht das Schlusslicht. Beide sind mit Funkgeräten ausgerüstet. Auch eine Trillerpfeife hilft dabei, die Schäfchen beisammen zu halten, die allzu leicht ausscheren.
Die Route 215 führt mehrheitlich abwärts. Wir durchqueren kleine Ansiedlungen, die sich wie Perlenketten an schmalen Wegen aufreihen, Wald, Hänge, an denen Kaffee wächst. Auf einer Anhöhe an der Strasse rasten wir. Dort wurden bis vor kurzem Strassengebühren entrichtet. Die Proteste der letzten Monate haben bewirkt, dass jetzt gratis durchgefahren wird.
Wegweiser gibt es nie, man kennt den Weg oder eben nicht. Auf einer einfachen Kaffeefinca gibt es einen längeren Halt. Hunde und Hühner umringen uns, aber der Star ist Lorenzo, der Papagei, der Brot und Papaya knabbert. Die Gastgeber kochen auf dem holzbefeuerten Herd Tinto und verteilen Avocadoschnitze. Wir sitzen an einem langen Tisch und auf Kaffeesäcken, am Schluss gibt es eine Kollekte. Dem Besitzerpaar ist das gar nicht recht und trotzdem wird das Geld dankbar angenommen.
Es wird heisser, wolkenlos, der Weg schlängelt sich durch Kaffeehänge hinunter, wo am Fluss der Bambus wächst. An der Brücke wartet eine Chiva. Wir fühlen uns wie auf einem Ozeanriesen in rauher See, wenn das bunte Gefährt mit den hölzernen Sitzbänken durch die Kurven fährt. Die Hupe tönt wie ein Schiffshorn. Kaum erreichen wir die Stadt, regnet es.
Morgen werden die Beine schmerzen und es wird sich gut anfühlen. Am nächsten Sonntag sind wir wieder dabei.
Ein schöner Sonntagsausflug, er erwärmt einem das Gemüt und erfreut, selbst wenn man nur den Bericht davon kriegt.
Wunderbarer Rückblick! Wenn das kein Fernweh auslöst, wenn das kein Verständnis für Gelüste zum Auswandern weckt… dann verstehe ich die Welt noch weniger. Besten Dank Martina!