Der Tessiner Fotograf Franco Banfi schiesst preisgekrönte Tierbilder. Eine seiner Spezialitäten ist die Unterwasserfotografie. Er kombiniert diesen Beruf mit Reiseleitung. Seine Partnerin Sabrina Belloni ist das organisatorische Mastermind hinter ihrem gemeinsamen Unternehmen Wildlife Photo Tours.
Seit über zehn Jahren ist der karibische Inselstaat Dominica eines ihrer Ziele. Dort sind etwa 300 Pottwale heimisch. Weibchen werden etwa 12 Meter lang und 24 Tonnen schwer, Männchen bis zu 18 Meter und 57 Tonnen. Ausserhalb der Paarungszeit leben die Weibchen in Gruppen mit ihren Jungen, während die Männchen als Einzelgänger durch die Weltmeere ziehen.
Pottwale sind faszinierende Wesen: Sie werden etwa so alt wie Menschen. Ihre Sprache besteht aus Klicks wie ein Morse-Code, der sich zwischen den Familien unterscheidet. Ihr Gehirn ist das grösste und schwerste überhaupt und sie tauchen so tief und so lange, wie sonst kein Tier. In finsteren Tiefen von bis zu 1000 Metern jagen sie Riesentintenfische. Seit 2005 wird in Dominica das Verhalten der Pottwale erforscht, um die grossen Wissenslücken über sie zu füllen.
Mit diesen Riesen zu schnorcheln ist nur mit wenigen Spezialbewilligungen der Regierung möglich, die lange im Voraus beantragt werden müssen. So wird sichergestellt, dass die Tiere nicht gestört werden. Auf einer dieser Bewilligungen stand letzte Woche mein Name als Teil der Mini-Reisegruppe von Franco und Sabrina.
Fünf Tage lang sind wir mit dem Boot hinausgefahren, mit den Augen stundenlang das Wasser absuchend nach dem charakteristischen Blas in einem Neigungswinkel von 45°. Ein Mikrofon im Wasser versucht in regelmässigen Abständen die Wal-Klicks zu erfassen. Endlich, der ersehnte Ruf, ein schwarzer Rücken taucht auf: Ins Wasser, go, go go! Ein grosses Männchen zeigt sich. In Vierergruppen inklusive Guides lassen wir uns nacheinander ins Wasser gleiten und schwimmen, was die Muskeln hergeben. Das Tier zieht vorbei, unterwegs zu den Weibchen, nicht viel mehr als ein riesiger schwarzer Schatten. Paarungszeit.
Am zweiten Tag das grosse Los: Mehrmals treffen wir auf Pottwalweibchen, kommen wir ihnen nah, beobachten sie, begleiten sie ein Stück. Zwei von ihnen haben noch Tintenfischreste wie Spaghetti zwischen den Zähnen und auch im Wasser um uns treiben Tintenfischarme. Zwei andere gönnen sich ein kurzes Schläfchen, indem sie sich kopfüber oder mit dem Kopf nach oben senkrecht ins Wasser stellen. Andere schwimmen zu viert nebeneinander auf uns zu und unter uns durch. Das Herz klopft wild und möchte doch stehenbleiben. Einem Männchen kommt nur unsere Schnellschwimmerin mit einem Blitzstart hinterher.
Wir schauen ihnen schmachtend nach wie frisch Verliebte ihren Angebeteten, wenn sie abtauchen und im grossen Blau verschwinden – mächtig, erhaben, elegant, schwerelos. Die Begegnung mit ihnen hinterlässt tiefe Freude und grenzenlose Bewunderung.
Das war unsere letzte Begegnung mit den Pottwalen. Mit den Männchen ziehen sie sich weiter aufs offene Meer zurück, zu beschäftigt, um sich noch mit zappelnden Zweibeinern abzugeben. Auch die Pilotwale, denen wir danach in grossen Gruppen begegnen, können Pottwale verjagen. Pilotwale jagen ebenfalls Tintenfische, aber ab und zu kann auch ein Pottwalbaby auf dem Speiseplan stehen. Die Risse und Zacken in den Schwanzflossen der Pottwale, die sie für die Forschung einfacher unterscheidbar machen, zeugen von diesen Auseinandersetzungen. Ihr grösster Feind ist allerdings der Mensch: Chemikalien, Schwermetalle, alte Fischernetze, Schiffe, Lärm, Jagd.
Wir schwimmen am vorletzten Tag mit den Pilotwalen. Sie werden bis acht Meter lang, sind schwarz, wendig und mit den Delfinen verwandt. Im Gegensatz zu den Pottwalen sind sie schüchterner, entfernen sich, wenn sich der kamerabewehrte Schnorcheltrupp nähert. Auch Gemeine Delfine sehen wir in grossen Verbänden. Sie machen sich einen Spass daraus, in den Wellen unseres Bootes zu surfen. Einige springen dabei meterhoch aus dem Wasser. Nach einer Weile verschwinden sie, viel zu schnell und zu scheu für eine Begegnung im Wasser.
Ein Privileg, einen Moment lang Teil dieser Unterwasserwelt gewesen zu sein.
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